Quelle: Südkurier vom 20. Feb. 2015
Muss man sich um die Zukunft der medizinischen Versorgung im Schwarzwald-Baar-Kreis akut Sorgen machen? Und ob, findet die FDP angesichts eines aktuellen Bundesgesetzentwurfs, und schlägt Alarm: Es drohten „Zwangsschließungen“, betroffen seien an die 20 Arztpraxen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei weist das zurück. Gelassen reagiert der Bezirkssprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der Allgemeinmediziner Johannes Probst aus St. Georgen.
Darum geht’s: Das Bundeskabinett hat im Dezember 2014 den Entwurf des Versorgungsstärkungsgesetzes verabschiedet. Eines der Themen ist, die medizinische Überversorgung in manchen Regionen Deutschlands abzubauen: Wo es rechnerisch zu viele Ärzte gibt, sollen freiwerdende Arztsitze künftig von den Kassenärztlichen Vereinigungen aufgekauft und vom örtlichen Markt genommen werden.Neu ist in diesem Zusammenhang das Wort „sollen“. Bislang ist nur von „können“ die Rede: Die KV kann freie Sitze in den überversorgten Regionen aufkaufen. Künftig soll sie dies aus Sicht des Bundes auch tun – falls das Gesetz kommt. Die Crux an der Sache: Auch der Schwarzwald-Baar-Kreis gilt in diversen medizinischen Sparten rechnerisch als überversorgt. Der Gesetzentwurf durchläuft jetzt den Bundestag.
Das sagt die FDP: Der Kreisverband der Freien Demokraten schlägt in seiner Mitteilung an die Presse Alarm: „Die Große Koalition in Berlin verspricht mit ihrer Gesundheitsreform eine Stärkung der medizinischen Versorgung im Land, in Wahrheit führt sie in unserem Kreis zu erheblichen Verschlechterungen“, wird darin die FDP-Kreisvorsitzende Andrea Kanold zitiert.Die Liberalen werden mit ihren Warnungen ganz konkret: Der FDP sei eine „regionale Auswertung der geplanten Zwangsschließungen von Arztpraxen“ bekannt geworden.Das Resultat: „Allein in unserem Kreis fallen dann unter anderem sechs Orthopädie-, vier Kinderarzt-, vier Nervenarzt-, drei Frauenarzt- und drei Psychotherapie-Praxen weg“, ist die FDP sicher. „Diese Pläne der großen Koalition im Bund müssen gestoppt werden“, so Kanold.
Das sagt der CDU-MdB: Thorsten Frei weist den Alarmruf der FDP zurück. Die Wortwahl sei „nicht angemessen“: Es könne und werde keine Zwangsschließungen von Praxen seitens der Politik geben. Schließlich regle ein Zulassungsausschuss, ob ein freiwerdender Arztsitz wieder nachbesetzt werde. Diese Ausschüsse seien nur mit Ärzten und Kassenvertretern paritätisch besetzt. Künftig solle es aber keine automatische Nachbesetzung mehr geben, sondern nur noch als Ausnahme. Zuvor solle der Ausschuss immer prüfen, ob nicht doch – trotz Überversorgung – örtlich ein „besonderer Versorgungsbedarf“ vorliege. Diese Ausnahme sei auch wichtig.
Dass es solchen besonderen Bedarf geben könne, habe er selbst als Donaueschinger Oberbürgermeister erfahren. Damals habe er sich für einen weiteren Augenarztsitz eingesetzt, weil die Patienten ein halbes Jahr auf Termine warten mussten. Doch auf dem Papier sei die Stadt mit bereits zwei ansässigen Augenärzten voll versorgt gewesen.Falls sich der Ausschuss nicht einig sei, bleibe es bei der Nachbesetzung. „Gegen den Willen der Ärzte können also auch die Kassen die Nachbesetzung nicht verhindern“, so Frei. Wobei auch aus seiner Sicht und der Unionsfraktion noch Korrekturen am Gesetzesentwurf nötig seien.
Das sagt der Ärztesprecher: Der St. Georgener Allgemeinmediziner Johannes Probst, Bezirksbeiratssprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), zeigt sich gegenüber dem SÜDKURIER gelassen. Ein Abbau von Praxen? „Ich bin zuversichtlich, dass das so nicht kommen wird“, ist er überzeugt. Probst kritisiert vielmehr den „offensichtlichen Widerspruch zwischen der Bedarfsplanung und der Realität“, wenn vermeintlich überversorgte Gebiete offenkundig Ärzte fehlten: „Da gibt es eine Schieflage.“ Derzeit etwa gebe es im Bereich Gynäkologen im nördlichen Schwarzwald-Baar-Kreis einen echten Mangel. Die offizielle Bedarfsfestlegung sei vor allem ein theoretisches Konstrukt, „die Überversorgung gibt es doch nur auf dem Papier“. Immerhin werde im Schwarzwald-Baar-Kreis ein kleinräumigeres Verteilmodell für Arztsitze entwickelt, damit auch ländlichere Gebiete besser abgedeckt werden könnten.
Das sagt das Landessozialministerium: Das Ministerium fordert in einer Stellungnahme zu einem Antrag der FDP im Landtag, dass „gewachsene und erprobte Versorgungsstrukturen“ nicht gefährdet werden dürften. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollten weiterhin „spezifische örtliche Gegebenheiten“ in ihre Entscheidungen mit einbeziehen dürfen.
Den Artikel im Südkurier als PDF zum Download: Zeitungsbericht zum Thema „FDP-Kreisverband befürchtet akuten Ärztemangel durch ein neues Gesetz“